Eine Diagonalquerung für Radfahrende über die Europakreuzung ist in Greifswald mittlerweile seit mehr als 25 Jahren im Gespräch. Bereits eine Projektarbeit, die 1998 am geographischen Institut der Universität Greifswald durchgeführt wurde, kommt zu dem Ergebnis, dass eine Realisierung der Diagonalquerung nicht nur technisch machbar und mit geringen Kosten verbunden ist, sondern auch mit vielen Vorteilen für alle Verkehrsteilnehmerinnen und -teilnehmer einhergeht und damit ein sinnvolles Infrastruktur- vorhaben darstellt. Die vorgebrachten Argumente für die Einrichtung einer Diagonalquerung sind heute immer noch genauso gültig wie damals, was die Frage aufkommen lässt, warum es nach wie vor ein so umstrittenes Projekt ist bzw. warum die Diagonalquerung nicht schon längst realisiert wurde. Auch ein detailliertes Gutachten, das vom Planungsbüro Dr.-Ing. Ditmar Hunger, Stadt Verkehr Umwelt (SVU) 2010 erstellt wurde, kommt zu demselben Ergebnis und konkretisiert die technische Umsetzung. So ist es auch nicht verwunderlich, dass im Abschlussbericht zum Verkehrskonzept Innenstadt des Planungsbüros IKS Mobilitätsplanung die Diagonalquerung ebenfalls eine Rolle spielt.

Trotz dieser Sachlage soll in der Bürgerschaftssitzung am 30.09.2024 über eine Beschlussvorlage der Bürgerschaftsfraktion Christlich Demokratische Konservative-IBG-AdbM abgestimmt werden, die den Abbruch der Baumaßnahme der Diagonalquerung vorsieht. Als Begründung dafür wird die Einsparung von Haushaltsmitteln angeführt sowie die Behauptung aufgestellt, dass große Teile der Bevölkerung die Baumaßnahme als Verschwendung von Mitteln ansehe. Der ADFC Greifswald-Usedom spricht sich expli- zit gegen diese Beschlussvorlage und für eine Realisierung der Diagonalquerung aus, was im Folgenden begründet wird.

Finanzierung

Die nun angedachte Realisierung einer Diagonalquerung kostet 36.000 €, was im Ver- gleich zu den bereits im Haushalt 2023 für das Projekt vorgesehen 300.000 € (Degrassi, OZ, 02.09.2024) nur als sehr kostengünstig angesehen werden kann. Eine Modal Split-Erhebung aus dem Jahr 2014 kommt zu dem Ergebnis, dass in ganz Greifswald 39 % der Wege mit dem Fahrrad und 22 % der Wege zu Fuß zurückgelegt werden, wohingegen auf den KFZ-Verkehr nur 34 % entfallen. Dabei ist die Europakreuzung auch für den Rad- und Fußverkehr ein wichtiger Knotenpunkt. Angesichts der deutlich höheren Kosten für die kürzlich erfolgte Sanierung der Lichtsignalanlagen und die Erneuerung des Straßenbelags an der Europakreuzung wird klar, dass die Kosten für die verschiedenen Verkehrsmittel hier in keinem Verhältnis zum erhaltenen Nutzen stehen. Rad- und Fußverkehr sind demnach in der Budgetplanung deutlich benachteiligt, obwohl beide Verkehrsarten deutlich platzsparender, umweltverträglicher und gesünder sind. Zudem wäre zu prüfen, ob solche Radverkehrsprojekte anstelle mit Haushaltsmittel auch durch Fördermittel der EU oder des Ministeriums für Digitales und Verkehr finanziert werden können. Beide Institutionen haben sich der Förderung von nachhaltigem Verkehr verschrieben und bieten insbesondere Förderprogramme für innovative Radverkehrsprojekte an, wie es die Greifswalder Diagonalquerung sein könnte.

Machbarkeit Sowohl die genannte Projektarbeit von 1998 als auch das verkehrsplanerische Gutach- ten von 2010 kommen zu dem eindeutigen Ergebnis, dass eine Diagonalquerung sicher umsetzbar ist. Mittlerweile kann man diese Erkenntnis auch in der Praxis beobachten: In Detmold ist bereits seit mehreren Jahren eine vergleichbare Lösung erfolgreich im Einsatz. Tatsächlich wurde dort sogar ein signifikanter Rückgang an Unfällen verzeichnet und die Diagonalquerung begeistert Verkehrsplanerinnen und -planer von überall (Lippische Landes-Zeitung (LZ), 16.08.2024). Wie die LZ weiter berichtet, so äußerte sich Jochen Detering vom Team Verkehrstechnik der Stadt Detmold dazu: “Diese ungewöhnliche Form

der Verkehrsführung ist selten. Was aufgrund des großen Zuspruchs verwundert”. Durch die langjährigen Diskussionen in Greifswald hat unsere Stadt leider die Chance verpasst mit so einer innovativen Lösung voranzugehen. Nichtsdestotrotz zeigt das Vorbild Detmold, dass das Konzept erfolgversprechend ist und auch in Greifswald funktionieren könnte.

Bemerkenswert ist auch, dass das Gutachten von SVU bereits zu dem Ergebnis kommt, dass eine weitaus weitreichendere Veränderung der Europakreuzung notwendig ist, um den Knotenpunkt auf die zukünftigen Anforderungen vorzubereiten. In diesem Sinne ist die Diagonalquerung also nur eine Minimallösung und langfristig scheint eine generelle Umgestaltung der Europakreuzung für alle Verkehrsteilnehmerinnen und -teilnehmer sinnvoll, z.B. durch den Bau eines Kreisverkehrs in Kombination mit einem Einbahnstraßensystem oder einer Aufspaltung des Knotenpunktes in zwei Einmündungen. Da die generelle Umstrukturierung der Europakreuzung sicherlich noch einige Zeit auf sich warten lassen muss, sollte auf die kurzfristig und kostengünstig umsetzbare Diagonalquerung gesetzt werden.

Vorteile

Einer der entscheidenden Vorteil einer Diagonalquerung ist, neben der offensichtlichen Re- duzierung der Querungszeit für Radfahrende, die bessere Entflechtung von Rad- und Fußverkehr. Im Ist-Zustand kommt es an der Kreuzung gerade zu Stoßzeiten zu einer Durchmischung beider Verkehrs- arten, was ein hohes Konflikt- und Gefahrenpotential hat. Dies wird noch verschärft durch die teilweise kleinen Aufstellflächen und schmalen Rad- und Fußgängerfurten. Eine Diagonalquerung würde für eine Entlastung der Fußgängerfurten sorgen, da dort dann weniger Radverkehr mitgeführt wird. Neben den viel diskutierten technischen Vorteilen, hätte so ein Projekt in Greifswald auch einen Symbolcharak- ter und würde die wichtige Bedeutung des Fahrrads als häufigstes Verkehrsmittel in der Stadt unter- streichen. Für den KFZ-Verkehr ergeben sich keinerlei Nachteile, weswegen die starke Ablehnung des Projekts nicht nachvollziehbar ist. Tatsächlich ist gerade für innerstädtische Wege eine Förderung des Radverkehrs auch aus dem Blickwinkel des motorisierten Verkehrs sinnvoll, da somit auch die Straßen entlastet werden, es zu weniger Stau kommt und der Parkdruck abnimmt.

Fazit

Der ADFC spricht sich nach wie vor für eine Diagonalquerung als einen von vielen Bausteinen zur Förderung des Umweltverbundes im Verkehr aus. Die selbst ernannte Fahrradstadt Greifswald schneidet im Fahrradklima-Test seit 2012 im Wesentlichen unverändert schlecht ab (Schulnote 3,3). Als positiv für den Radverkehr wurde bei der letzten Befragung 2022 genannt, dass Alt und Jung gleichermaßen Rad fahren, negativ hingegen die Ampelschaltungen, wenig intuitive Wegweisungen (v.a. an Baustellen) und Konflikte im Mischverkehr. Die Diagonalquerung kann zumindest an der Europakreuzung direkt die genannten Kritikpunkte entschärfen und ist ein wichtiger Schritt in Richtung Verkehrswende und Gleichberechtigung aller Verkehrsteilnehmerinnen und -teilnehmer. Dabei darf nicht vergessen werden, dass für viele Menschen, z.B. Kinder und Ältere, eine Mobilität mit dem Auto nicht infrage kommt. Eine Förderung des Umweltverbundes im Verkehr ist somit auch wesentlich für die Partizipation vieler Menschen am alltäglichen Leben und zur Befriedigung des Grundbedürfnisses nach Mobilität entscheidend.

Johannes Apelt

ADFC Greifswald-Usedom
Lange Straße 14
17489 Greifswald
greifswald@adfc-mv.de

Stellungnahme zum „Moratorium für nicht notwendige Verkehrsprojekte“